Sie wurden ausgegrenzt, geringgeschätzt und kaum gefördert – jene Künstlerinnen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert ihre Werke schufen. Die Ausstellung „Künstlerinnen aus dem Oldenburger Land“ im Palais Rastede zeigt die Professionalität und Vielfalt weiblicher Kunst unter erschwerten Bedingungen.
Von Britta Lübbers
Zum Beispiel Trude Rosner-Kasowski (1899-1970): Sie hatte an der renommierten Kunsthochschule Breslau studiert und galt als hervorragende Zeichnerin. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie aus Schlesien vertrieben, ihr bis dahin geschaffenes Werk ist verschollen. Sie landete im weltabgewandten Emsland, wo sie aus Rindensud Farben kochte und Aquarellbilder malte, weil sie sich die teuren Ölfarben nicht leisten konnte. Später lebte sie in Dangast und wurde zur großartigen Malerin von Küste, Moor und See. Aber sie hatte kein Netzwerk, keine Sponsoren und kein Geld. Sie starb erblindet, verarmt und verspottet. Erst in den vergangenen Jahren setzte ein zögerlicher Prozess der Würdigung ein. In Dangast erinnert u.a. der Kunstpfad an die lange Unterschätzte.
Trude Rosner-Kasowskis Biografie kann stellvertretend für das Schicksal vieler Künstlerinnen stehen, die durch die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts und durch ihren Geschlechterstatus ausgebremst wurden. Anders als ihre männlichen Kollegen hatten die Frauen kein „Old-Boys-Network“, das sie auch dann sanft landen ließ, wenn die Umstände prekär waren. Zudem waren sie auf eine klare Rollenzuweisung festgelegt: Sie hatten zu heiraten, Kinder zu bekommen und sich um die Familie zu kümmern. Kunst sollte für Frauen bestenfalls Beiwerk sein. Bis 1919 waren sie in Deutschland nicht an den öffentlichen Akademien zugelassen.
Die schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Frauen dennoch Kunst schufen, und die Qualität ihrer Arbeiten ist Thema der Ausstellung „Künstlerinnen aus dem Oldenburger Land“, die gestern im Palais Rastede eröffnet wurde und noch bis zum 8. Dezember zu sehen ist.
Die Kuratorinnen – die Kulturwissenschaftlerin Donata Holz und die Kunstwissenschaftlerin Bärbel Schönbohm – arbeiten schon seit geraumer Zeit zum Thema, haben ein Buch dazu geschrieben („Wie froh ich aus tiefstem Herzen bin, malen zu können“) und zwei Ausstellungen über regionale Künstlerinnen im Industriemuseum Lohne realisiert. Aus diesen Schauen wurde jetzt die Ausstellungen für das Palais Rastede neu konzipiert. Entstanden ist ein bunter Querschnitt durch die (regionale) Geschichte weiblichen Kunstschaffens. Ob Plastik, Graphik oder Malerei, ob namhafte Künstlerinnen wie Emma Ritter (1878-1972) oder kaum bekannte Frauen wie Luise Niemeyer (1933-2014): Der Bogen spannt sich weit und reicht von der naturalistischen Darstellung bis zur Abstraktion. Gezeigt werden 50 Arbeiten von 25 Künstlerinnen.
Die Ausstellung sei ihr persönlich eine große Freude, erklärte Palaisleiterin Dr. Claudia Thoben anlässlich der Eröffnung. „Sie ist zugleich ein lange verfolgtes Anliegen des Arbeitskreises Bildende Kunst im Kunst- und Kulturkreis Rastede.“
Die Einführung hielten Donata Holz und Bärbel Schönbohm. Sie stellten jede Künstlerin kurz vor und verwiesen nicht nur auf werktypische, sondern auch auf geschichtlich-markante Phänomene. Krieg und Nachkrieg erschwerten Frauen den Zugang zur Kunstwelt, auch das familiäre Umfeld zeigte meist wenig Anerkennung für weibliche Kreativität, die über Nähen und Sticken hinauswies. Frauen, die ihrer Kunstleidenschaft nachgeben wollten, mussten willensstark und zielstrebig sein. So wie Elsa Oeltjen-Kasimir (1887-1944), die die Kunstgewerbeschule in Wien besuchte, in Berlin Kurse bei Oskar Kokoschka nahm und eine Zeitlang mit dem Maler Jan Oeltjen (1880-1968) in Jaderberg lebte. Künstlerin zu sein bedeutete auch damals nicht, frei von Irrtümern zu sein. 1940 schuf Elsa Oeltjen-Kasimir eine kleine Hitlerbüste – obwohl ihre Kunst von den Nazis als „entartet“ definiert worden war. Die Kunstwelt kennt solch widersinnig anmutende Kreativität auch von Männern, z.B. von Emil Nolde (1867-1956).
Dass den Frauen aber nicht einmal eingeräumt wurde, in die kreative Irre zu gehen, verdeutlicht ein Satz aus der bis 1941 erschienenen Satirezeitschrift „Simplicissimus“, den Donata Holz und Bärbel Schönbohm zitierten: „Die einen Frauen wollen heiraten, die anderen haben auch kein Talent.“ Stimmt nicht, möchte man den Satirikern nach Besichtigung dieser sehr sehenswerten Ausstellung zurufen.
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