Susanne Lamers hat den CDU-Fraktionsvorsitz niedergelegt. Sie reagiert mit diesem Schritt auf die sexuelle Belästigung durch Kontaktanzeigen, initiiert durch ihren Parteikollegen Torstens Wilters. Auf der Ratssitzung am Abend in Delfshausen verurteilte der Gemeinderat Wilters‘ Verhalten scharf.
Von Britta Lübbers
Unter der Online-Adresse „susiloy“ hatte Torsten Wilters Kontaktanzeigen aufgegeben, die er im Namen der ahnungslosen Susanne Lamers beantwortete (wir berichteten). Daraufhin erhielt sie obszöne Angebote, erstattete Anzeige und Wilters flog auf. Er entschuldigte sich und trat von allen Ämtern zurück. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gegen Geldzahlung eingestellt.
Bis zur heutigen Ratssitzung hatte es keine Stellungnahme seitens der Rasteder Politik gegeben. Jetzt verlas Dr. Sabine Eyting (Grüne) stellvertretend für alle Ratsmitglieder eine Erklärung. „Warum lassen wir den Vorgang nicht auf sich beruhen?“, fragte sie vorab und gab sogleich die Antwort: „Weil die Abgabe des Ratsmandats nicht aus rein persönlichen Gründen erfolgt ist, sondern eine gesellschaftliche Dimension hat, die auch uns betrifft.“ Der Rat wolle deutlich machen, dass er sexualisierte Gewalt gegen Frauen scharf verurteile. Laut Eyting seien die sexualisierten Belästigungen gegen Susanne Lamers keine Affekthandlung, kein Kavaliersdelikt und kein rein parteiinterner Konflikt. „Eines ist uns wichtig hervorzuheben: Die Ratskollegin hat keine Mitschuld an der Tat. Nichts rechtfertigt diese Art der Auseinandersetzung.“
Bei der sexualisierten Gewalt gehe es immer um Machtstrukturen, betonte Eyting. Denn die Gleichberechtigung sei nicht in allen Köpfen angekommen. „So ist es auch in diesem Fall bezeichnend, dass nicht der männliche Bürgermeisterkandidat, sondern eine Frau Ziel der Aggression wurde.“
Wegschauen und Schweigen sei keine Option. Denn die „MeToo-Debatte“ finde nicht nur in den USA oder in Berlin statt, sondern Gewalt gegen Frauen geschehe überall. Deshalb sei eine klare Haltung erforderlich. „Wir können uns im Rat in der Sache streiten, sollten aber dem Gegenüber jederzeit mit Respekt und Wertschätzung begegnen. Sexismus, persönliche Angriffe und Erniedrigung haben in unserer Mitte keinen Platz.“
Wenige Tage vor der Ratssitzung hatte sich Susanne Lamers in einem Pressegespräch, das sie im Beisein ihres Anwalts Erich Friedrich Biebert führte, selbst zu den Vorfällen geäußert. „Ich habe monatelang in Angst gelebt“, bekannte sie. Sie sei körperlich und seelisch außerordentlich belastet. Noch immer erhalte sie obszöne Nachrichten.
Sie habe lange mit sich gerungen, ob sie an die Öffentlichkeit gehen soll. Aber als sie lesen musste, dass für Torsten Wilters „die Angelegenheit erledigt ist“, habe sie entschieden, das Ausmaß der Vorfälle und die Folgen für sie und ihre Familie zu schildern. „Für mich ist gar nichts vorbei.“ Sie und ihr Mann seien in ärztlicher Behandlung. Sie fühle sich erniedrigt und des Grundgefühls der Sicherheit beraubt. „Ich wurde auf das Übelste gestalkt.“
Der Alptraum habe begonnen, als sie am 31. Dezember 2018 eine WhatsApp von einer unbekannten Nummer erhielt. Der Mann wollte Spaß, das sei ersichtlich gewesen, sagte Lamers. „Ich dachte an einen Irrläufer.“ Aber die Vorfälle häuften sich, die Nachrichten, so berichtete sie, seien immer übler ausgefallen. Die Männer schrieben Susanne Lamers nicht nur, sie hinterließen auch Sprachnachrichten mit eindeutig pornografischem, teils auch bedrohlichem Inhalt. „Das geschah morgens, mittags, abends und nachts“, erinnerte sie sich.
Vor einem Jahr hatten sich Unbekannte Zutritt zu ihrem Grundstück verschafft und eines ihrer Pferde mit einer Eisenstange schwer verletzt. Daraufhin sicherte die Familie das Haus und die Ställe und ließ Kameras aufstellen. Der Einbruch in ihren Privatbereich und das Eindringen in ihre Privatsphäre – beides zusammen sei zu viel gewesen. „Wir haben immer ein offenes Haus gehabt, das war uns wichtig. Jetzt lebe ich in einem Hochsicherheitstrakt“, sagte Susanne Lamers. „Als diese widerlichen Nachrichten kamen, kam auch die andere Geschichte wieder hoch. Ich hatte Panik pur, monatelang. Ich konnte nicht schlafen und nicht essen. Und ich hatte keine Ahnung, wer mir das antat.“ Am 14. Januar geht sie zur Polizei und erstattet Anzeige, man kommt Wilters ziemlich schnell auf die Spur. Anwalt Erich Friedrich Biebert zeigt das von der Polizei aufgenommene Protokoll. Darin gibt Wilters an, dass Susanne Lamers seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt habe vereiteln wollen. Er habe sich gedacht, dass sie es für ein paar Tage auch mal verdient hätte, sich ungut zu fühlen. Er gibt zu, dass er einen Fake-Account auf einem einschlägigen Portal platziert und ihre Nummer nach Anfrage von Interessenten per Mail bzw. Chat herausgegeben hat.
Sie habe sich gerne in der Kommunalpolitik engagiert, unterstrich Susanne Lamers im persönlichen Gespräch, aber für den Fraktionsvorsitz fehle ihr jetzt die Kraft. Auch den Vorsitz im Ausschuss für Bau, Planung, Umwelt und Straßen hat sie aufgegeben. Ihr Nachfolger als Fraktionsvorsitzender ist Hendrik Lehners, seine Stellvertreter sind Sylke Heilker und Thorsten Bohmann. Zum Vorsitzenden im Bauausschuss wählte der Rat Hans-Dieter Röben. Als Nachrücker übernimmt Patrick Brandt das Ratsmandat von Torsten Wilters. Auch als stellvertretender Bürgermeister war Wilters zurückgetreten. Zum Nachfolger wählte der Rat Kai Küpperbusch.
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