Am Roggenmoorweg soll ein ökologisches Musterquartier entstehen. Im Bauausschuss kritisierten CDU und FDP das Verfahren heftig.
Von Britta Lübbers
Nachhaltiges Wohngebiet mit Modellcharakter oder unsoziales Öko-Projekt? Die Fraktionen im Ausschuss für Gemeindeentwicklung und Bauen bewerteten die Pläne sehr unterschiedlich. Auf einer Skala von hohem Lob bis zu heftigem Tadel war in der Sitzung am Montag alles dabei.
Bereits im Mai 2023 hatten die politischen Gremien die Verwaltung beauftragt, einen Investorenwettbewerb für das Baugebiet auf dem freiwerdenden Bauhofgelände durchzuführen. Im März erhielt die Architektengesellschaft gruppeomp den Auftrag zur fachlichen Vorbereitung des Wettbewerbs. Die juristische Begleitung übernimmt die Hamburger Kanzlei Kapellmann.
Artenreiches Ökosystem
Ziel ist es, die rund 28.600 Quadratmeter große Fläche am Roggenmoorweg zu einem klimaneutralen Mustergebiet zu entwickeln. Geplant sei ein Bewohner-Mix nicht nur für Familien, sondern z.B. auch für Singles und Paare, erläuterte Lena Bergmann von der gruppeomp. Angestrebt sind Niedrig-Energiehäuser, die sich ins Ortsbild einfügen. „Wir bevorzugen Fassaden mit regionalem Klinker“, sagte Bergmann. Aber es gebe auch Spielraum. „Sollten die Ideen gut sein, lassen wir uns gerne eines Besseren belehren.“ Auf den Freiflächen soll „ein artenreiches Ökosystem im Grünen entstehen“. Auch das Wassermanagement sei wichtig, so soll etwa Regenwasser für die Toilettenspülung genutzt werden können. Um für Starkregenfälle gerüstet zu sein, will man so wenig Fläche wie nötig versiegeln. Zum Parken werden dezentrale Stellplätze bevorzugt, sagte Lena Bergmann. Der Mindestkaufpreis beträgt 150 Euro je Quadratmeter Nettobaufläche.
Geschäftsbereichsleiter Stefan Unnewehr präsentierte die Zeitschiene. Mitte November geben die drei am besten geeigneten Bewerber ihre Erstangebote ab. Die Bewertung erfolgt durch eine Jury bestehend aus dem Verwaltungsausschuss, der gruppeomp, der Kanzlei Kapellmann und Mitarbeitern der Verwaltung. Im Februar 2025 stellen die Bieter ihre Konzepte vor. Mitte April sollen die finalen Angebote abgegeben sein. Nach der Auswertung und dem Beschluss durch die Politik könne der Zuschlag voraussichtlich im Mai 2025 erfolgen, so Unnewehr. Dann beginnt das Bauleitverfahren. Mit der Fertigstellung des Wohngebiets rechnet die Verwaltung in fünf bis acht Jahren.
Nicht jeden Samstag Rasen mähen
„Der soziale Wohnungsbau fehlt. Wollen die unter sich sein?“, fragte Evelyn Fisbeck (FDP). „Sie haben den Preis beschlossen“, erinnerte Stefan Unnewehr. „Die Erschließungskosten trägt der Investor.“ „Wir schließen sozialen Wohnungsbau nicht aus“, ergänzte Lena Bergmann. Es gehe bei dem Projekt vorrangig um nachhaltiges Wohnen, betonte Unnewehr. Der Investor habe aber durchaus Möglichkeiten, sozial zu gestalten, z.B. durch die Größe der Wohnungen.
Harsch fiel die Kritik von Hendrik Lehners (CDU) aus. „Es ist das falsche Verfahren, und der Mindestpreis ist eine Farce“, sagte er. „Wir haben keinen Einfluss auf die Vergabe der Grundstücke. Ist uns jetzt alles egal? Wir vergeben nicht an Rasteder und nicht an solche, die in Rastede arbeiten. Das Thema bezahlbarer Wohnraum fällt unter den Tisch. Das ist mehr als bedenklich.“
Ganz anders äußerte sich Horst Segebade (SPD). „Es ist ein ungewohnter, aber ein richtiger Weg. Hier haben wir die Chance, etwas Neues für Rastede zu schaffen.“
Nicht überzeugt zeigte sich auch Susanne Lamers (CDU). „Dies ist ein reines Investorenmodell. Wo bleibt zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Ammerländer Wohnungsbau? Wir wollen das Projekt nicht kaputtreden, haben aber Angst, dass wir auf die Nase fallen.“
Gelassen reagierte Dirk Bakenhus (UWG). „Es ist ein schönes Konzept. Andere Kommunen machen so etwas auch und sind sehr zufrieden.“
„Ich kann mich dafür gar nicht erwärmen“, meinte hingegen Evelyn Fisbeck (FDP). Man habe durch die bisherige Baupolitik Rasteder Bürger im Ort halten und zudem Arbeitsplätze für Rastede sichern wollen. Diese Ziele würden jetzt preisgegeben. „Wir haben so viel erreicht. Jetzt werfen wir alles über den Haufen, wofür wir uns eingesetzt haben. Dieses Wohngebiet ist falsch und gehört nicht nach Rastede.“
„Sie haben die Beschlüsse gefasst, den Preis festgesetzt und die Verwaltung mit der Vorbereitung beauftragt. Und jetzt wollen Sie eine neue Grundsatzdiskussion?“, wunderte sich Bürgermeister Lars Krause.
Auch Architektin Lena Bergmann ergriff „als Vertreterin der jüngeren Generation“ noch einmal das Wort. „Dies ist ein attraktives Angebot für Menschen, die kein Eigenheim wollen, aber nicht nach Berlin oder Hamburg ziehen möchten“, sagte sie.
„Viele der heute 16-Jährigen wollen später kein Haus bauen und jeden Samstag ihren Rasen mähen“, pflichtete Anne Brandt (SPD) ihr bei.
Auch dem jungen Timo Merten (parteilos) gefielen die Pläne. „Ich würde mir ein Lastenrad kaufen und dort einziehen“, erklärte er bündig.
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