Helene von Oldenburg mag Mehrdeutigkeiten. Ihr gefällt es, wenn das Publikum irritiert ist. Erstmals stellt sie jetzt im Palais Rastede aus. „Zehn Räume“ ist eine ungewöhnliche Schau. Eröffnet wird sie morgen, am 24. August. Die Eröffnung ist öffentlich.
Von Britta Lübbers
Ihre Werke sind im In- und Ausland zu sehen, aber in Rastede wurden sie bisher nicht gezeigt. „Das kann doch gar nicht sein“, dachte sich Projektleiterin Birgit Denizel und lud die Künstlerin, die in Rastede und Hamburg lebt, ein, in ihrem Geburtsort auszustellen. „Zehn Räume“ ist die ungewöhnliche Schau übertitelt, jeder Raum umfasst eine eigene Werkgruppe. Die Arbeiten unterscheiden sich in Thema, Technik und Material. Es gibt Malerei, Zeichnung und Fotografie, Papier, Glas, Graphit und Wasserfarben. Sie habe sich gefreut, die Räume alleine und einzeln bespielen zu können, erklärt die Künstlerin gestern während der Vorbesichtigung. „Das passt zu mir. Ich arbeite immer phasenweise. Wenn etwas abgeschlossen ist, dann denke ich: Das war es jetzt, das mache ich nie wieder. Und dann fange ich doch wieder an. Ich habe lange gebraucht um zu erkennen, dass dies meine Vorgehensweise ist.“ Daher beinhalte die Schau in Rastede auch nicht eine, sondern zehn Ausstellungen. Das stimmt. Aber es gibt eine Art unsichtbare Klammer, eine Handschrift. Jeder Raum spiegelt die Freude am Hintersinn, das Spiel mit Erkennen und Erstaunen. „Mir ist es wichtig, dass das, was ich zeige, irritiert“, bekennt Helene von Oldenburg.
Im einstigen Speisesaal hat sie eine überdimensionale Landschaftsaufnahme platziert. Schwere Wolken ziehen über einen tiefen Boden. „Nordnordwest“ heißt das Bild, das Weite ausdrückt. Oder Verlorenheit, je nach Standpunkt. Am unteren Bildrand ist ein Kompass angebracht. „Jetzt könnte man denken, der Kompass zeigt an, wo es langgeht“, lächelt die Künstlerin. „Tatsächlich aber zeigt uns der Kompass unsere eigene Position.“ Man merkt, dass ihr die kleine Finte gefällt.
Zuweilen konterkariert das Ausgestellte den gewählten Titel. Oder umgekehrt. „Ordnung“ hat Helene von Oldenburg eine Fotoreihe genannt, die eher an Unordnung erinnert. Hefte und Zeitungen sind zu sehen, gefächert, vertreut. Es sind Aufnahmen aus ihrer Wohnung, nichts ist arrangiert. „Das lag da herum und wuchs“, sagt sie. Und im Wachsen der Stapel erkannte sie deren Einzigartigkeit.
Auch das Trauzimmer wurde zum Ausstellungsraum. Da Tisch und Stühle hier nicht weggeräumt werden dürfen, waren ihre Möglichkeiten begrenzt. Sie nahm schwarze Folie und verhüllte das Interieur. Entstanden ist eine Installation, die keinen Gedanken an „Ganz in Weiß“ zulässt. Das darf man ein bisschen subversiv finden.
Ein Raum widmet sich dem „Vergessen“. Hier hat Helene von Oldenburg mit Nacktschnecken kooperiert, die in einem regenreichen Sommer den Garten bevölkerten. Sie legte mit Bier und Honig bestrichenes Papier auf den Rasen, das die Schnecken annagten. Beschriftet und gerahmt entfalten die perforierten Blätter einen ganz eigenen Reiz.
Kaleidoskop der Vergänglichkeit
Skurril mutet auch die Werkgruppe „Anstreichungen“ an. Zu sehen sind Kreuze und Striche, mit denen von Oldenburgs Vater Zeitungsartikel und Buchtexte gekennzeichnet hatte. Die Texte sind gelöscht, nur die Anstreichungen sind als farbige Markierungen auf Glas übriggeblieben. Verwaiste Hervorhebungen, deren Ursprung ausradiert ist.
„Ich bin Tourist“ heißt eine weitere Fotoreihe. Die Bilder sind in den 1990er Jahren in Norwegen entstanden und präsentieren ausnahmslos Rastplätze in der Natur. „Eine Zeit lang war ich fasziniert von Tischbänken“, erzählt von Oldenburg. „Sie sind scheußlich und höllisch unbequem, doch sie stehen an traumhaften Orten.“
Das Highlight der Schau aber ist der zehnte Raum, ein kleiner, versteckter Treppenaufgang, der wohl ein Dienstbotenaufgang war. Noch nie wurde er für eine Ausstellung genutzt. Unterhalb der gewundenen Holzstufen hat Helene von Oldenburg Fotos mit Motiven aus dem Palais angebracht, die ein Kaleidoskop der Vergänglichkeit bilden. Es sind Nahaufnahmen von Kratzern und Kerben in Wänden und Boden, Verfallspuren, die selbst dem Verfall anheimgegeben sind. „Nach der nächsten Renovierung sind sie verschwunden“, sagt die Künstlerin, die in Agrarwissenschaften promovierte, bevor sie Freie Kunst in Hamburg studierte. Ihr bevorzugtes Metier sind die Grenzgebiete zwischen Kunst, Medien und Wissenschaft – Kompass und Schnecken inklusive.
„Zehn Räume“ wird am Donnerstag, 24. August, eröffnet und ist bis zum 22. Oktober zu sehen. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm. Infos unter www.rastede-touristik.de.
Diesen Artikel drucken