Ausstellung „Wir für alle“ wurde gestern eröffnet. Die ungewöhnliche Schau mit Exponaten Rasteder Bürgerinnen und Bürger ist noch bis zum 6. August im Palais Rastede zu sehen.
Von Britta Lübbers
Eine Ausstellung zu konzipieren, von der man nicht weiß, was darin zu sehen sein wird, das erfordert Mut. Birgit Denizel hatte diesen Mut. „Wir für alle“ ist die erste Schau, die unter ihrer Regie in Rastede gezeigt wird. Im August 2022 hatte die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin ihre Stelle bei der Residenzort Rastede GmbH angetreten und ist seitdem zuständig für die kulturhistorische Vermarktung der Gemeinde. Mit „Wir für alle“ präsentiert sie nun eine ungewöhnliche Zusammenstellung jenseits konventioneller Kriterien. Anlässlich der Eröffnung gab es viel Lob für das gelungene Experiment.
Anfang des Jahres hatte Denizel alle Rastederinnen und Rasteder aufgefordert, Exponate als Leihgaben zur Verfügung zu stellen, die sie für ausstellungswürdig erachteten. „Vom Wohnzimmer in die Vitrine“, so lautete das Motto. Keine Kuratorin, kein Historiker sollte den Kunstwert der Leihgaben bestimmen, die Bürgerinnen und Bürger waren selbst am Zug.
Ein Rundgang durch die reich bestückten Räume zeigt: Das Konzept ist aufgegangen. Bilder und Skulpturen, Kleinode und Nippes, Gebrauchsgegenstände und Grafiken, Holz, Papier und Stein – eine schiere Fülle ist zu bestaunen. Zu jedem Exponat gibt es kleine Erläuterungen, die die Geschichte hinter dem Gegenstand erzählen. Manches hat eine lange Reise hinter sich, etwa das „Fundstück aus der Bronx“, das die Künstlerin Helene von Oldenburg beigesteuert hat. In den 1990er Jahren lebte sie in New York und lernte dort den Künstler David Wels kennen, der – ein irrer Zufall – einmal Austauschstudent in Rastede gewesen war. Bei einem gemeinsamen Spaziergang durch die Bronx entdeckte Helene von Oldenburg auf einem Schutthügel eine kleine sitzende Figur. Die ist jetzt hinter Glas im Palais zu sehen. „Der Kontakt zu David ging irgendwann verloren, die Skulptur ist geblieben“, so die Künstlerin.
Ein Hingucker ist auch das Meisterstück des Drechslers Herbert Hobbensiefken: Es ist ein aus verschiedenen Edelhölzern gefertigtes Standgrammophon aus dem Jahr 1929 – und es funktioniert noch, wie Enkel und Leihgeber Dirk Hobbensiefken demonstrierte. Er legte eine Schelllackplatte auf, die sofort kratzig-nostalgisches Flair verbreitete.
Eine Fleißarbeit stellen auch die Leuchttürme dar, die Katja Müller zeigt. Bis zu acht Monate werkelt sie an so einem Turm, der mittels elektronischer Steuerung sogar blinken kann.
Filigran sind die feinen Kreuzsticharbeiten der Nadelkünstlerin Karin Schramm, filigran ist auch die „Birke am Moorkanal“, eine Lithografie von Hans am Ende, Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede.
Kitsch, Kunst, Kommerz? In dieser Schau spielt das keine Rolle. Hier geht es einzig ums Schauen und Staunen.
Entsprechend positiv fielen die Grußworte aus. „Die Resonanz ist überwältigend“, freute sich Bürgermeister Lars Krause. Das Publikum habe entschieden, was es sehen wolle und dabei Vielfalt entstehen lassen.
„Wow, das sieht toll aus“, sagte Falko Mohrs, Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur. „Partizipation, Erleben, Öffnung: Das tut uns gut.“
„Participation is hot“, meinte auch Landrätin Karin Harms. „Partizipationskultur hat Hochkonjunktur, sie passiert an unterschiedlichen Orten und jetzt auch im Ammerland.“
Ihr Ziel sei, die Besucher aktiv in den Kulturbetrieb einzubeziehen und Kulturräume attraktiv zu machen, erklärte Birgit Denizel, die die Organisation nahezu alleine gestemmt hat – von der Idee über das Sichten, Aufbauen und Anordnen der Objekte bis hin zum Weißen der Sockel für die Leuchttürme.
„Alle ins Haus zu holen, das geht am besten, wenn alle angesprochen werden“, betonte sie. Über manches, das ihr angeboten wurde, habe auch sie gestaunt. Zum Beispiel über den „heißen Stuhl“ des Pastors Otto Jaritz – ein beheizbares Sitzmöbel, damit die Beichtenden im Winter nicht frieren mussten. Oder die vor rund 100 Jahren von einem Geschirrflicker getackerte Tasse. In ihrer Gesamtheit, so Denizel, erinnere sie die Ausstellung an eine frühe fürstliche Wunderkammer, in der sich Gebrauchskunst und Kunst vereinten. Die Arbeit an der Schau habe ihr zudem „auf großartige Weise“ die Möglichkeit geboten, die Menschen vor Ort kennenzulernen. Sie habe viele Kontakte knüpfen und Anregungen für künftige Ausstellungen sammeln können.
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