Jan Sommer ist kein „Hase-aus-dem-Hut-Magier“, er verblüfft stattdessen als gekonnter Gedankenleser und virtuoser Vorausseher. Mit seiner Show im Palaisgarten gelang es ihm am Freitag mühelos, sein Publikum zu verzaubern.
Von Britta Lübbers
Der Abend war ein Lichtblick in Zeiten verordneter Kulturlosigkeit und zahlreiche Gäste waren gekommen, um sich unter den schattigen Bäumen im Palaisgarten gekonnt hinters Licht führen zu lassen. „Wir hätten ohne Probleme noch weitere Reihen besetzen können“, sagte Benita Focken von der Residenzort Rastede (RR) GmbH, die die Kontaktdaten der Besucherinnen und Besucher aufnahm. Auch der Sicherheitsabstand zwischen den Stühlen wurde genau eingehalten.
„Wir haben eine super Kulisse und super Wetter“, freute sich Insa Franze von der RR GmbH, als sie die Zuschauer begrüßte. Dann war die Bühne frei für einen ebenso jungen wie versierten Zauberer, dem es vom ersten Moment an gelang, eine Verbindung zu seinem Publikum herzustellen. Für jedes Kunststück (von „Trick“ zu sprechen verbietet sich angesichts der Güte des Präsentierten) brauchte Sommer Freiwillige aus der Gästeschar – und sie fanden sich ohne Anstrengung. Gleich das erste Verwirrspiel hatte es in sich. Wer einen Zehn-Euro-Schein dabei habe, solle sich bitte melden, so Sommer. Ein Mann namens Rolf stellte sich und sein Geld zur Verfügung. Sommer notierte die Seriennummer des Scheins und riss zusätzlich noch eine Ecke vom Wertpapier ab. Zuvor hatte er eine Flasche mit Wein in einen Kühler gestellt. Diese Flasche ließ er nun von Rolf öffnen. Der Wein sei echt, konstatierte dieser, nachdem er einen Schluck genommen hatte. Echt war auch der Geldschein mit der individuellen Seriennummer und der fehlenden Ecke, der auf dem Flaschenboden schwamm, und den Sommer mit Hilfe eines Greifers aus der Flüssigkeit zog – ungläubiges Staunen bei Rolf und dem Publikum.
Jan Sommer ist 23 Jahre jung, kommt aus Varel und studiert Informatik und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oldenburg. In einem Interview mit der Campuszeitung hat er jüngst verraten, dass er selbst im Hörsaal ein Kartenspiel dabei hat, um in atemberaubender Geschwindigkeit Spielkarten verschwinden zu lassen oder Zettel in Karten zu verwandeln. Er trainiere täglich, so der smarte Zauberer, der einer neuen Generation von Magiern angehört, die Geschichten erzählen, anstatt Jungfrauen zu zersägen, und deren Programme die Dramaturgie und Dynamik von Theaterstücken haben.
Als er ein kleiner Junge war, habe er Verhaltensforscher werden wollen, bekannte Sommer im Palaisgarten, das erste Buch, das er als Kind verschlungen habe, sei ein Werk über Körpersprache gewesen. Das Subtile, Unterbewusste der menschlichen Wahrnehmung ist das, was Sommer fasziniert. Und er hat sich so gut damit auseinandergesetzt, dass er die Freiwilligen, die in Rastede zu ihm auf die schwarze Bühne kamen, ganz nach seinem Gusto lenken konnte. Das funktionierte ohne Netz und doppelten Boden und immer wieder fragte man sich: Wie um Himmels Willen macht er das?
Erneut holte Sommer, groß, schlaksig und sehr eloquent, zwei Probanden nach vorne. Die beiden Männer sollten die Augen schließen und sich mental aufeinander einstimmen. Sommer berührte die Nase des einen. Dann fragte er beide Männer, wo sie eine Berührung gespürt hätten. Und beide zeigten auf ihre Nase – auch der, dem Sommer gar nicht nahe gekommen war, und der den Stupser an die Nase des anderen nicht hatte sehen können.
Und dann das: Sommer bat die Gäste in der ersten Reihe, Namen von Prominenten auf Zettel aufzuschreiben. Ein Freiwilliger namens Leo zog einen Zettel und steckte ihn in die Hostentasche, Sommer konnte den Namen unmöglich sehen. Dann legte er Leo ein Tuch über den Kopf (damit der sich besser konzentrieren konnte), fasste dessen Arm und forderte ihn auf, fest an den Prominenten zu denken. Parallel dazu zeichnete Sommer ein Portrait an eine Tafel – sonderbare Linien und Schraffuren, dazu schwoll Musik vom Band dramatisch an. Sommer drehte die Tafel herum – er hatte das Motiv über Kopf gemalt – und zu sehen war Elvis Presley. „Ja“, sagte Leo, „das ist der Name auf dem Zettel.“ Großer Applaus für eine rundum überzeugende Show.
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