Nicht nur Geschäfte, Restaurants und Kultureinrichtungen sind wegen der Corona-Krise geschlossen, auch soziale Angebote fallen aus. Ein Stimmungsbild aus Rastede.
Von Britta Lübbers
„Liebe Kundinnen und Kunden, zu Ihrem und zu unserem Schutz haben wir geschlossen“, ist auf der Homepage des Vorwerk Gartencenters zu lesen. Das „größte Erlebnis-Gartencenter im Oldenburger Land“ hat zugemacht. Wie und wann es weitergeht, das weiß aktuell niemand.
„Für die gesamte Branche ist dies eine schwere Situation“, sagt Inhaber Uwe Albertzard, der auch Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereins (HGV) Rastede ist. „Wir erwarten einen sehr hohen wirtschaftlichen Schaden.“ Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat er in Kurzarbeit geschickt. „Ich habe Stammpersonal, das sich weiterhin um die nicht saisonale Ware kümmert“, erklärt Albertzard. Blumen, Bäume und Stauden stehen ja nicht einfach im Lager, sie wollen gehegt und gepflegt werden. Die saisonale Pflanzenware aber, die wird Uwe Albertzard vernichten müssen. Hinzu kommen die Einnahmeausfälle – und zwar in einer ansonsten umsatzkräftigen Zeit. Im Frühling, zumal vor Ostern, brummt das Geschäft. Jetzt sind die Türen dicht, die laufenden Kosten aber summieren sich. So wie Uwe Albertzard geht es fast allen Einzelhändlern. „Wir steuern in eine weltwirtschaftliche Inflation hinein“, lautet sein Ausblick. „Gerade für kleine Betriebe wird es schwer, aus dieser Situation wieder herauszufinden“, befürchtet der HGV-Vorsitzende mit Blick auf die Gewerbetreibenden in Rastede. „Wir sind massiv auf Unterstützung von Bund und Land angewiesen, um das Schlimmste abzumildern.“
Im HGV Rastede tausche man sich aus, erklärt Albertzard, wichtig sei der Kontakt über die WhatsApp-Gruppe. Geplant ist, mit Plakaten in Schaufenstern auf die schwierige Lage hinzuweisen. „Wir bitten unsere Kundinnen und Kunden, uns als Betriebe zu unterstützen.“ Viele Läden bieten einen eigenen Bestell- oder Lieferservice an, den kann man nutzen. Der HGV wirbt darum, den kleinen Geschäften vor Ort die Treue zu halten und nicht auf den Online-Großhändler umzuschwenken.
Zugleich betont Albertzard, dass er die verordneten Beschränkungen für richtig hält. „Die Maßnahmen sind absolut notwendig und müssen strikt durchgehalten werden.“ Denn letztlich sei die Gesundheit das höchste schutzwürdige Gut.
Speisekammer ist verschlossen
Lebensmittelgeschäfte gehören zur unmittelbaren Daseinsvorsorge und sind von den Schließungen ausgenommen. Übrig gebliebene Lebensmittel wurden bis vor kurzem an die Speisekammern und Tafeln geliefert. Am DRK-Standort Rote Buche in Rastede war jeden Freitag Ausgabe, rund 300 Bedarfsgemeinschaften mit ca. 1500 Personen aus Rastede und Wiefelstede wurden auf diese Weise versorgt. Anspruchsberechtigt sind Bezieher von Sozialleistungen wie Hartz IV, Grundrente oder Asylleistungen. Sie können ihren Speiseplan aufwerten und sich vom Gesparten vielleicht etwas Zusätzliches leisten. Das aber ist gegenwärtig nicht möglich, die Speisekammern und Tafeln sind geschlossen.
Noch bevor der Erlass raus ging, hatte sich die Speisekammer Rastede selbst entschieden, das Angebot auszusetzen. „Unser Team ist durchweg älter, wir gehören damit zur Risikogruppe. Auch wollten wir die Kundinnen und Kunden nicht gefährden“, sagt Sabine Aden, DRK Landes- und Kreisleiterin für Wohlfahrts- und Sozialarbeit. Am 18. März habe man alle Waren ausgegeben, die Regale leergeräumt. „Die Kunden haben durchweg positiv reagiert und erklärt, dass sie die Maßnahme richtig finden“, erzählt Sabine Aden. Für manche Familien, vor allem jene mit vielen Kindern, sei die Situation jetzt sicher nicht einfach, glaubt sie. Schlimme Notlagen erwartet sie aber nicht.
Kontakte über WhatsApp
Auch das Willkommenscafé im AWO-Kompetenzzentrum hat geschlossen. Bis zu 140 Besucherinnen und Besucher nutzen das Angebot regelmäßig, viele sind Flüchtlinge und Migranten. Das Willkommenscafé ist Treffpunkt und Servicestelle. Hier wird gemeinsam gespeist, erzählt und zugehört. Kinder können malen, basteln und musizieren, Erwachsene tauschen sich aus, wenn es darum geht, Behördenpost zu verstehen und Anträge auszufüllen. Und jetzt? „Wir sind gut untereinander vernetzt“, sagt Christa Schindling, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert. In WhatsApp-Gruppen halte das Team den Kontakt zueinander und zu den Flüchtlingen, die ebenfalls miteinander in Verbindung stehen. Die gegenwärtigen Einschränkungen erlebten die Flüchtlinge als richtig, sagt Christa Schindling. „Das Feedback ist positiv.“ Man halte sich an die Auflagen, treffe sich nicht mehr in Gruppen und informiere sich vielfach per Smartphone über Neuigkeiten. Gibt es Erlasse, schickt Christa Schindling die Informationen in verschiedenen Sprachen weiter. „Wir sind alle miteinander verdrahtet“, erklärt sie.
Wer darf kommen?
Auch Pastor Friedrich Henoch findet die aktuellen Begrenzungen notwendig. „Aber ob alle Regeln schlüssig sind?“, fragt er zweifelnd.
Die Kirche ist hart von den Einschränkungen betroffen. Gottesdienste finden nicht mehr statt. In Krankenhäusern gilt Besuchsverbot, dasselbe gilt für Alten- und Pflegeheime. An Beerdigungen können maximal zehn Trauernde teilnehmen. „Wir als Seelsorger fragen uns: Was tut den Menschen gut?“, so Friedrich Henoch. Keinen Besuch zu bekommen, das tue nicht gut. Als schwierig betrachtet er auch die Teilnehmerbegrenzung für Bestattungen. Bei Verstorbenen mit einem großen Familien- und Freundeskreis stelle sich die Frage: Wer darf kommen? „Abschied ist wichtig“, unterstreicht Henoch. „Wir müssen Abschied nehmen, damit der Prozess der Heilung beginnen kann.“
Friedrich Henoch darf zurzeit nicht in Heime gehen, um den Menschen dort seelsorgerischen Beistand zu geben. Der aber bedeute eine seelische Stärkung. Die wiederum sei wichtig für die seelische und auch körperliche Gesundung, gibt der Theologe zu bedenken. „Es ist schwierig, eine Grenze zu ziehen“, räumt er ein. „Niemand möchte jemanden gefährden.“
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