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„Die Politik hätte viel früher handeln müssen“

Den Schulterschluss mit Landwirten suchten heute Nachmittag die CDU-Landtagsabgeordneten Jens Nacke und Björn Thümler in der Boßelerburg in Borbeck. Eingeladen zur Diskussion über die Folgen der Niedersächsischen Düngeverordnung hatte die CDU Rastede.

Von Britta Lübbers

„In der öffentlichen Debatte werden die Landwirte häufig als das Problem betrachtet, dabei sind sie Teil der Lösung“, erklärte vorab der Gemeindeverbandsvorsitzende Tim Kammer. Und der Rasteder CDU-Ratsherr Dieter Ahlers machte einleitend deutlich, wie die Bauern die aktuelle Diskussion um ihre Rolle in Sachen Umweltbelastung und Naturschutz sehen: „Wir sind keine Heiligen, aber auch nicht die Sklaven für das schlechte Gewissen im Land. Wir erhalten Vorschläge von Leuten, die keinen Quadratmeter eigenen Boden unter den Füßen haben. Sie geben uns Ratschläge, mit denen wir unsere Betriebe platt machen würden. Das ist eine Sauerei.“ Er habe es satt, für Gegebenheiten verantwortlich gemacht zu werden, die er nicht verursacht habe, ärgerte sich Ahlers. Und weiter: „Wer bäuerliche Familienbetriebe erhalten möchte, der muss uns auch entsprechend bezahlen.“ Die derzeit diskutierten Probleme seien nicht mit dem Ordnungsrecht, wohl aber mit einer angemessenen Vergütung zu lösen.

Es ist die von der Landesregierung verabschiedete „Niedersächsische Verordnung über düngerechtliche Anforderungen zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat und Phosphat“, die die Landwirte in Wallung bringt. Gemäß der Vorgaben, mit denen die Umweltziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden sollen, werden jene Bereiche als rote Gebiete gekennzeichnet, in denen zu viel Nährstoff im Wasser ist – dies gilt für rund 38 Prozent der Landesfläche. Hier soll der Düngergebrauch stark reduziert werden. Das aber führe zu geringeren Erträgen und weniger Einnahmen, klagen die Bauern. Für viele Kleinbetriebe, die ohnehin seit Jahren am Existenzminimum entlangschrappten, sei die neue Verordnung eine enorme Belastung bis hin zur Betriebsaufgabe. Zudem üben die Landwirte harsche Kritik am Messverfahren. Die geprüften Brunnen und Messstellen seien nicht repräsentativ, monieren sie, ihre Zahl zu gering. Man habe die Ergebnisse einfach hochgerechnet und so das Bild verfälscht.

Auch er komme in Erklärungsnot, wenn er einem Landwirt sagen müsse, er solle das Düngen einschränken, weil in 30 Kilometern Entfernung ein Brunnen als belastet gilt, sagte Björn Thümler. „Das ist schlicht nicht zu vermitteln. In einer Querschnittserhebung hätten wir die Nitratwerte locker eingehalten. Unsere Nachbarn wie die Niederlande oder Dänemark können gar nicht verstehen, was wir hier machen.“ Zugleich räumten Thümler und Nacke ein, dass die Politik das Thema zu lange habe liegen lassen. „Wir hätten viel früher handeln müssen.“

Der Vorsitzende des Landvolksvereins Ammerland, Manfred Gerken, wies darauf hin, dass die Landvolk-Kreisverbände inzwischen einen Gutachter engagiert haben, der das Verfahren prüfen soll. In Nordrhein-Westfalen habe der Fachmann bereits festgestellt, dass an neun von zehn getesteten Brunnen nicht ordentlich untersucht worden sei. „Erste Meldungen aus Niedersachsen gehen in dieselbe Richtung. Die Politik wird sich noch umsehen“, sagte Gerken. Zugleich warf er die Frage auf, warum die Landwirte überhaupt den Gerichtsweg beschreiten müssen. „Vom Mindestlohn können wir kaum leben und nun kommen noch Verfahrenskosten auf uns zu.“

Die Landwirtschaft sei der wichtigste Wirtschaftszweig in Niedersachsen, unterstrich Jens Nacke. Es sei geboten, das Nährstoffmanagement zu hinterfragen und den Bauern Planungssicherheit zu geben. Die roten Gebiete seien aber nur ein Teil des Problems. Es komme jetzt darauf an, einen gesamtgesellschaftlichen Dialog zu führen. Die Bauern-Demonstrationen der vergangenen Monate hätten immerhin dazu beigetragen, dass zuvor verhärtete Fronten aufgebrochen wurden und Landwirte, Verbraucher und Politiker miteinander ins Gespräch gekommen sind.