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Wie geht ein gelernter Verbrecher in den Ruhestand?

Premiere der „1. Rasteder Lesestunden“ mit Joe Bausch und seinem Buch „Gangsterblues“ im Schlosscafé

Von Ursula von Malleck

Er war kaum zu stoppen in seinem Redefluss. Hat so viel zu sagen. Ist so voll von all dem, was über dreißig Jahre sein Leben und ihn selbst geprägt hat: Joe Bausch, bekannt als Gerichtsmediziner Dr. Josef Roth im „Tatort Köln“, im wahren Leben Mediziner und von 1986 bis Ende 2018 Anstaltsarzt sowie leitender Regierungsmedizinaldirektor der JVA Werl. Als Sachverständiger war er Gast in verschiedenen Talkshows. Doch in diesem Format war es ihm nicht möglich, alles los zu werden, was ihm wichtig war. Beim Schreiben eines Buches unterliegt man keinen Beschränkungen. Man kann sagen, was man denkt, kann wahre Begebenheiten und Geschichten entsprechend verfremden. Beweggründe für Joe Bausch, 2012 sein erstes Buch „Knast“ herauszubringen. Und nun sein neues Werk „Gangsterblues“, mit dem Joe Bausch im Schlosscafé zu Gast war und die „Rasteder Lesestunden“ eröffnete. An unterschiedlichen Orten veranstaltet die Residenzort Rastede GmbH einmal im Monat eine Autorenlesung zu Themen, die die Bevölkerung bewegen. Die Premiere mit Joe Bausch war ein voller Erfolg.

Joe Bausch las auch aus seinem Buch vor. Doch vorwiegend erzählte er die Geschichten. Er erzählte vom „Blues, der auch unter den Ärztekittel kriecht“, weil Arzt und Seelsorger aufgrund ihrer Schweigepflicht vom Unglaublichen erfahren. Bausch erzählte von dem weggeschlossenen Leben, für das sich kaum mehr jemand interessiert. Bundespräsident Heinemann war der letzte Politiker, der Werl besucht hatte. Gefängnisse sind Spiegel der Gesellschaft – und die hat sich verändert. Bausch betreute zuletzt siebenundfünfzig Nationen in Werl, einer der größten Justizvollzugsanstalten Deutschlands. Nur noch einer von zehn Neuzugängen besitze berufliche Qualifikationen. Viele der Männer müssten zunächst sozialisiert werden, bevor sie resozialisiert werden könnten. Der größte Stress der Gefangenen sei die Angst vor den Mithäftlingen. Das Wissen darum, dass jeder ein Verbrecher ist. Wie also müssten Gefängnisse in der Zukunft aufgestellt sein? Wieviel Freiheit verträgt Sicherheit und wieviel Sicherheit verträgt Freiheit? Warum ist es nicht möglich, europaweit einheitliche Strafgesetze zu schaffen? Wie kommt es, dass die Zahl der Straftaten rückläufig ist, die Angst vor Kriminalität in der Gesellschaft jedoch steigt? Dazu berichtete Andrea Lamping, Leiterin des Polizeikommissariats Westerstede, dass das Ammerland der drittsicherste Landkreis in ganz Niedersachsen ist und dass das Straftatenaufkommen hier 2018 den niedrigsten Stand seit 30 Jahren hatte. Joe Bausch ist der Meinung, dass 96 Prozent der Straftaten verhindert werden könnten, wenn die Menschen wieder mehr aufeinander achten, sich verantwortlich fühlten und mehr Zivilcourage zeigen würden.

Die nächste Autorenlesung in der Reihe „Rasteder Lesestunden“ findet am Freitag, 24. Mai, um 19.30 Uhr im Autohaus Horstmann statt. Zu Gast ist dann Eckhard Fuhr zum Thema „Der Wolf ist zurück – wie ein Heimkehrer unser Leben verändert“. Im Anschluss an die Lesung ist eine Diskussion mit Experten geplant.