Der Allgemeinarzt Wolf-Dietmar Röcher findet keinen Nachfolger in Hahn-Lehmden, seine Praxis schließt am 31. Dezember. In dieser Woche startet eine Unterschriftenaktion.
Von Ernst Lankenau
Das waren noch Zeiten, als „Der Landarzt“ in der gleichnamigen Fernsehserie in Ruhe seine Patienten versorgen und sich gleichzeitig um viele andere Dinge kümmern konnte. Inzwischen wird es immer schwieriger, Mediziner zur Übernahme einer Praxis auf dem Land zu bewegen. Jetzt hat die Realität auch Hahn-Lehmden eingeholt. Allgemeinarzt Wolf-Dietmar Röcher sucht seit zwei Jahren einen Nachfolger. Da sich bisher kein Bewerber gefunden hat, hat sich der 68-jährige Mediziner jetzt dazu entschlossen, seine gut gehende Praxis zum 31. Dezember zu schließen. Nach dem Weggang seiner Vorgängerin Dr. Haussler im Jahr 1981 hatte Röcher im Juli 1986 in der Straße Balsterhörn seine Praxistätigkeit aufgenommen. „Das war ein gewisses Wagnis“, erzählt er, „denn ich musste einen komplett neuen Patientenstamm aufbauen.“ Und er betont: „Vor 30 Jahren hatte der Ort wesentlich weniger Einwohner als heute.“ Daher ist es ihm wichtig, dass sein Arztsitz auch in Hahn-Lehmden verbleibt. Es habe in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Interessenten gegeben, aber die hätten entweder abgesagt oder wollten sich nicht in Hahn-Lehmden niederlassen, erzählt Röcher, der sich auch in Sachen Standortsuche engagiert hat. Da seine Praxisräume für einen neuen Betreiber wegen baurechtlicher Vorschriften nur noch übergangsweise nutzbar sind, hat er frühzeitig Kontakt zu Investor Heiko Menke aufgenommen. Dieser hat signalisiert, dass er sich eine Arztpraxis in dem geplanten Neubau neben dem Edeka-Markt vorstellen könne. Doch auch das fruchtete bisher nicht.
Die Kassenärztliche Vereinigung Oldenburg (KVO) erklärt, dass sie keinen Bewerber zwingen könne, sich in Hahn-Lehmden nieder zu lassen. „Wenn dort ein Arztsitz frei wird, dann hat der Interessent die Möglichkeit, sich seinen eigenen Sitz frei im Bezirk Rastede/Wiefelstede zu wählen“, erläutert KVO-Geschäftsführer Helmut Scherbeitz. „Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass der Arztsitz in Hahn-Lehmden bleibt. Wenn der Sitz aber nach maximal sechs Monaten immer noch unbesetzt ist, dann ist er komplett verloren“, unterstreicht Scherbeitz.
Das Problem der Besetzung ländlicher Praxen greift immer mehr um sich. Viele junge Mediziner scheuen den Arbeitsaufwand in Landpraxen, Ärztinnen sind oft eher an einer Teilzeitbeschäftigung oder an der Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis interessiert. Das kann Manuela Sommer, Medizinische Fachangestellte in der Praxis Röcher, überhaupt nicht nachvollziehen: „Wir sind hier doch nicht in der tiefsten Provinz, und unser Chef muss auch nicht in Gummistiefeln zu den Patienten“, lässt sie ihrem Frust freien Lauf. Sie und ihre Kollegin Kerstin Wilken haben zum 1. Januar 2019 eine neue Arbeitsstelle gefunden, ihre Kollegin Meike Conrads nicht. Sie kann sich mit der Situation immer noch nicht abfinden. „Ich arbeite seit 31 Jahren hier und hatte mir das eigentlich auch bis zur Rente so vorgestellt“, bedauert sie. Sie werde vor allem den familiären Umgang in der Praxis und das freundschaftliche Verhältnis gegenüber den Patienten vermissen.
Auch viele Bürgerinnen und Bürger, darunter Renate Bolte, machen sich Gedanken über die medizinische Versorgung im Ort. „Erst schließt der Zahnarzt seine Türen, jetzt der Hausarzt, und wer weiß, ob nicht auch noch die Apotheke zumacht“, sagt sie. Aus diesem Grund will sie in dieser Woche eine Unterschriftenaktion mit ausgelegten Listen in den örtlichen Geschäften starten, um Politik und Verwaltung für den Erhalt des Arztsitzes zu sensibilisieren. Die Gemeindeverwaltung hat bereits Gespräche mit der KVO und Wolf-Dietmar Röcher geführt. „Wir sind uns der Problematik bewusst und sind an der Sache dran“, erklärt Bürgermeister Dieter von Essen auf Nachfrage. Das Ergebnis sei allerdings offen.
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