Die Skulptur „Displaced Persons“ von Jochen Kusber, die an das Lager in Hahn erinnert, wurde schwer zerstört. Die Gemeinde Rastede hat Anzeige erstattet.
Von Ursula von Malleck
Entsetzt und unsagbar traurig war Jochen Kusber, als er Anfang des Monats bei einem Routinebesuch in Hahn-Lehmden die von ihm 2010 geschaffene Skulptur „Displaced Persons“ halb zerstört vorfand. Zwei Figuren aus der Gruppe waren gewaltsam herausgebrochen worden, die das Denkmal umspannenden Pflöcke und Ketten ebenfalls. Den übrigen Figuren aus Mooreiche hatten die Täter Papiertüten über die Köpfe gezogen. Alle herausgerissenen Teile lagen kreuz und quer auf dem Boden verstreut. Wer macht so etwas? Waren es Jugendliche, die vor Frust und Langeweile nicht wissen, wohin mit ihren Kräften? Oder hat diese Tat einen neonazistischen Hintergrund und das Mahnmal, das mittlerweile auch internationale Beachtung findet, war gezielt ausgewählt worden? Möchte man eventuell das Leid der Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangenen während des 2. Weltkrieges im Barackenlager Hahn lieber vergessen und nicht durch ein Mahnmal zementiert sehen? Man weiß heute, dass die in den Kriegsjahren dort zwangsweise Untergebrachten unter den schrecklichsten Bedingungen vegetierten – unterernährt und ohne medizinische Versorgung. Fleckenfieber, Tuberkulose und Typhus rafften die Bewohner dahin. Zwischen 1942 und 1955 starben allein im Lager Hahn 267 Menschen, darunter 191 Kinder, die in Rastede beerdigt sind. Aus Gründen der „Rassenhygiene“ führte man Zwangssterilisation und Zwangsabtreibungen bei den slawischen Frauen durch. Säuglinge, die trotzdem zur Welt kamen, brachte man umgehend in Heime, wo ihr Leben meist schnell zu Ende ging.
Doch das, wofür Jochen Kusbers Skulptur steht, umfasst die gesamte wechselvolle Geschichte des Barackenlagers – auch die der von den Alliierten als „Displaced Persons“ bezeichneten Menschen, die nach dem Krieg dort untergebracht wurden, weil sie nicht mehr in ihre Heimatländer zurück konnten. Und auch das Schicksal von Flüchtlingen und Spätheimkehrern, die teilweise bis 1966 dort wohnten. Gerade in unserer Zeit, in der Flucht und Vertreibung wieder Schwerpunktthemen sind und auch die Fremdenfeindlichkeit zunimmt, brauchen wir solche Orte zum Erinnern und Reflektieren. Umso beschämender ist die Zerstörung dieser denkwürdigen Skulptur.
Bürgermeister Dieter von Essen hat sich der Sache persönlich angenommen. Die Gemeinde hat Anzeige erstattet. Nach den Tätern wird gefahndet. Jochen Kusber möchte das Mahnmal, das er für eine seiner besten Arbeiten hält, abbauen, um es zu restaurieren. Danach soll es evtl. an einem anderen, sichereren Ort wieder errichtet werden. Auch hier hat von Essen dem über 90-jährigen Künstler Unterstützung zugesagt.
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