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Voltaire wollte nach Hahn

Der berühmte französische Philosoph hatte die Absicht, das Gut Hahn zu kaufen. Doch die Pläne zerschlugen sich. Das ist nur eine der historischen Geschichten im neuen Rasteder Archivboten.

Von Britta Lübbers

Gemeindearchivarin Margarethe Pauly hat erneut intensiv recherchiert und dabei so manchen Schatz gehoben. Weitere Autoren im neuen Archivboten, dem Mitteilungsblatt des Gemeindearchivs Rastede, sind Christina Randing, Eberhard Nothdurft und Rolf Dachs. Gleich die erste Geschichte in dem 77 Seiten starken, mit zahlreichen Schwarzweißfotos illustrierten Heft, birgt eine Überraschung. Denn wer hätte gedacht, dass der weltberühmte französische Philosoph Voltaire (1694-1778) ein starkes Interesse daran hatte, das Gut Hahn als Rückzugsort zu erwerben. Christina Randig schildert, dass Voltaire einen freundschaftlichen Kontakt zu Charlotte Sophie Gräfin Bentinck (1715-1800) unterhielt, der Urenkelin von Graf Anton Günther von Oldenburg (1583-1667). Vier Jahre lebte die Gräfin in Berlin, sie war gebildet und destinguiert und fand rasch Zugang zu höfischen und intellektuellen Kreisen. Voltaire war ihr Lieblingsautor, sodass sie entzückt war, in Berlin seine Bekanntschaft zu machen. Dass die Gräfin Bentinck großen Eindruck auf den Philosophen machte, zeigt ein Brief, den Voltaire 1751 an sie schrieb, und aus dem Christina Randig zitiert: „Ich bin mehr oldenburgisch als katholisch, Madame. Auf die Messe kann ich verzichten, auf Sie nicht.“ Als Voltaire in einen Rechtsstreit gerät und in Adelskreisen in Ungnade fällt, bittet er die Gräfin, für ihn den Kauf des Guts Hahn zu vermitteln. Hierhin möchte er sich zurückziehen. „Sie wissen wohl, dass dieses kleine Landgut, von dem Sie mir freundlicherweise erzählt haben, mich außerordentlich reizt und dass es nicht schlecht wäre, wenn Sie sich erkundigten, ob es zum Verkauf steht.“ Charlotte Sophie vermittelt tatsächlich zwischen Voltaire und dem Besitzer Hans-Hinrich von Stöcken. Doch nach dessen plötzlichem Tod im Januar 1751 stockt der Prozess, die Erben sind später nicht mehr an einem Verkauf interessiert. Und so kam Voltaire auch nicht ins Ammerland.

Von Ostindien nach Rastede kam jedoch Friedrich Christian von Römer (1717-1776). Der aus der Wesermarsch stammende Römer erlangte großen Reichtum, indem er viele Jahre für die holländische Ostindienkompanie Handel betrieb. „Die Archive in Dänemark und in den Niederlanden verraten uns einiges über sein außergewöhnliches Leben, seine Herkunft und seine Jahre in Indonesien und Vietnam“, schreibt Margarethe Pauly, die sich auf die Spuren des Handelsreisenden begeben hat. „Nach seiner Rückkehr kaufte er in Rastede das frühere Kloster, dann das Schloss Graf Anton Günthers und errichtete sich hier einen prunkvollen Herrensitz mit Gartenanlage“, so Pauly, die auch die Grabplatte Römers gefunden hat. Damit beginnt ihre spannende Geschichte. An der Südseite der St.-Ulrichs-Kirche steht eine sandsteinerne Grabplatte, deren Inschrift nicht mehr zu erkennen ist. Aber ein Wappen ist noch zu sehen, es zeigt u.a. einen „Türkensäbel“ sowie einen Anker und Sterne. „Dieses Wappen lässt vermuten, dass es jemand führte, der etwas mit Seefahrt, und zwar in ferne Länder, zu tun hatte“, folgerte Pauly und behielt Recht. Ihre Nachforschungen haben bestätigt, „dass die Grabplatte Friedrich Christian von Römer und seiner Familie zuzuordnen ist“.

Weitere Themen im neuen Archivboten sind z.B. „Freimaurer in Rastede“ und „die großherzgliche Badeanstalt im Krebsteich“. Tatsächlich gab es hier um 1900 eine Art halböffentliches Bad: „eine durch Planen abgegrenzte Stelle, wo sich ,Höchste Herrschaften‘ geschützt vor Publikumsblicken ins Wasser begeben konnten“, schreibt Margarethe Pauly. Die Dorfbewohner habe dieses Freibad nicht gestört, Förster und Parkaufseher aber sehr wohl.

Den Rasteder Archivboten 2017 gibt es für fünf Euro in den Buchhandlungen Tiemann und Renken, in der Ellern-, Park-, und Ratsapotheke, bei der Residenzort Rastede GmbH und im Rasteder Gemeindearchiv.