„Tanzender Pinsel“ heißt die Ausstellung mit Tuschemalerei von Ingelberga Scheffel, die heute im Palais Rastede eröffnet wurde
Von Britta Lübbers
Kräftige Linien und zarte Striche, mit Verve aufgetragen oder mit gelassener Hand, in einer einzigen großen Bewegung den Pinsel geführt, dass die Farbe auf das Papier tropft – was dann passiert, ist kein Zufall, sondern der „Abdruck des eigenen Herzens“: Das ist die Kunst, die Ingelberga Scheffel noch bis zum 23. Oktober im Palais Rastede zeigt.
Die Oldenburger Künstlerin hat sich der ostasiatischen Tuschemalerei (Sumi-e) verschrieben. Grundlage für deren Ausführung ist die Zen-Meditation. „Hier geht es nicht um die naturgetreue Darstellung, sondern um den Wesenskern des abgebildeten Objekts“, sagte Palaisleiterin Dr. Claudia Thoben anlässlich der Vernissage, die musikalisch von Dieter Weische auf der japanischen Bambusflöte Shakuhachi begleitet wurde. „In der Bewusstheit des eigenen Atems entsteht die schwarze Spur auf weißem Papier“, so Thoben weiter. Diese Spur könne tanzend leicht und verspielt, streng, geschlossen oder offen sein. Eines sei sie nicht: veränderbar. Die Linien, Punkte und Kreise, die mit dem Pinsel auf das Papier gebracht werden, dürfen nicht korrigiert werden, da sie als Abdruck des Herzens gelten.
Ingelberga Scheffel, die seit vielen Jahren Schülerin des Kalligrafie-Meisters, Künstlers und Schriftstellers Kazuaki Tanahashi ist, zeigt in Rastede auch Arbeiten aus dem Bereich „der Kunst des schönen Schreibens“. Zu ihren abstrakten und figürlichen Darstellungen zählen Wasser, Bäume und Äste.
„Das Gesetz des Pinselzugs“, dem sich Scheffel verpflichtet fühlt, geht auf das Jahr 231 vor Christus zurück. Schnell solle der Künstler, die Künstlerin den Pinsel umbiegen und nach unten ziehen, wie ein Adler, der sich auf einen Vogel stürzt, lautet die Handlungsanweisung. Spielerisch und flink, wie Fische im Wasser, müsse sich der Pinsel bewegen. „Dann wird alles von selbst klar erkennbar.“
„Ingelberga Scheffel hat viel Zeit und Energie geopfert, um einen Einblick in die ostasiatische Kunst der Tuschemalerei zu geben“, wusste Sachiko Szyszka, Präsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Nordwest zu Oldenburg, die die Grußworte sprach.
„Heiterkeit und Strenge, Kraft und Ruhe – Sie müssen sich von diesen Gegensätzen anziehen lassen, um einen Zugang zur Ausstellung zu finden“, erklärte der Philosoph und Bildende Künstler Dr. Rudolf Prinz zur Lippe, der die Einführung hielt.
Die Künstlerin selbst beschreibt ihr Vorgehen so: „Ich tauche mein selbstgemachtes, besengroßes Pinselobjekt in den Tusche-Eimer, hebe es über das weiße Papier und lasse Regentropfen tropfen.“ Auf diese Weise entstehe ein unbekanntes Liniengeflecht, eine einzigartige, erstaunliche Figuration. „Das Weiß wird bedeutungsvoll einbezogen, die Ränder sind keine Grenzen”, so Scheffel. „Wie schön!“.
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