Mohnfelder in Marokko, Treibholz aus dem Kaspischen Meer, Hochhäuser in New York: Für die kulturelle Grenzgängerin Maryam Motallebzadeh werden nahezu alle Eindrücke zur Inspiration. Noch bis zum 8. März ist ihre Ausstellung „Orient trifft Okzident“ im Palais zu sehen.
Von Britta Lübbers
Eine Installation aus Papierfetzen, in Farsi bemalte Keramikteller, Landschaftsbilder, surreale Filme, Schrift, Zeichen, Ton: Selten war eine Einzelausstellung im Palais derart vielfältig. Maryam Motallebzadeh, die im Iran geboren wurde, nach dem Studium 20 Jahre lang eine Galerie in Teheran leitete und seit 1999 in Bremen lebt, ist eine Reisende zwischen den Kulturen. „Persien ist meine Heimat, Deutschland meine Ergänzung“, erklärt sie. Kulturelle Grenzgänge und die stete Suche nach dem Gemeinsamen sind die Essenz ihrer Arbeiten. „Schauen Sie“, sagt die Künstlerin und deutet auf ein von Quadraten perforiertes Papier über dem Bild eines Frauenkörpers. „Hier geht es um Einsamkeit.“ Die Idee dazu kam ihr, als sie erleuchtete Fensterfronten von Hochhäusern in New York sah. „Was ist dahinter?“, fragte sie sich. Mit dieser Frage könnte die ganze Schau überschrieben sein.
Ihre Inspiration holt sich die Künstlerin auf Reisen, in der Literatur, der Musik. Und sie engagiert sich international. Für eines ihrer Projekte brachte sie 23 Künstler zusammen, die alle einen Poncho trugen, auf dem in ihrer jeweiligen Landessprache das Wort „Ich“ geschrieben stand. „Wir sind dann alle Hand in Hand gegangen, wie eine große Blume, die aufgeht.“ Eine ihrer Skulpturen ist eine Frauenfigur, deren Augen, Hände und Beine mit Gips bandagiert sind. „Sie kann nichts sehen, sich nicht bewegen“, konstatiert Maryam Motallebzadeh. Ein Statement zum Islam? „Wenn Sie meinen“, lautet die Antwort. Und dann fügt sie hinzu: „Unterdrückung gibt es auch in anderen Kulturen.“
Wer ihre Kunst vor allem als politisch motiviert versteht, werde der Künstlerin nicht gerecht, sagte der Kunsthistoriker Dr. Rainer Beßling anlässlich der Ausstellungseröffnung. „Ihre Arbeit ist politisch, wie jede Reflexion menschlichen Handelns politisch ist.“ Es gehe aber nicht um Tagespolitik. Nein, diese Werke weisen weit darüber hinaus; sie setzen sich mit den universellen Themen auseinander, die in allen Kulturen gleich sind: Freundschaft etwa, Liebe, Trauer, Verlust. Als ein ihr sehr nahestehender Mensch gestorben war, zerriss Maryam Motallebzadeh seine Tagebücher. Dann war sie erschrocken über ihr Tun und zugleich fasziniert von der neuen Form des Papiers. Aus den Schnipseln machte sie eine luftige Installation – „einen langen Fries der Erinnerung mit Bruchstücken, die durch die Zeit gegangen sind“, so beschrieb es Rainer Beßling.
Ob Malerei, Grafik, Installation oder Film: Vieles erschließt sich intuitiv, vieles wird auf den zweiten Blick erkennbar. Manches wirft Fragen auf. Alles wirkt magisch. Zum Beispiel die Bilder von marokkanischen Mohnblumenfeldern. Die Gegenüberstellung der Farben Rot und Grün, die die Farben der iranischen Flagge sind.
Rot und grün waren auch die Bänder, die abschließend an die Besucher verteilt wurden. Jeder Gast sollte ein Band knoten und draußen an einen Baum binden: ein symbolischer Akt aus individuellen Wünschen. Wer mochte, schrieb seine Bitten auf Papier und warf den Zettel in eine Flasche. Diese Flaschenpost wird Maryam Motallebzadeh auf ihrer nächsten Schau im Böke-Museum Leer zeigen – als universelle Botschaft jenseits kultureller Begrenzungen.
Diesen Artikel drucken